Geldpolitik

Dienstag, 25. November 2008

Nationalökonomische Texte

Ein Artikel des deutsch-amerikanischen Ökonomen Hans Sennholz zu den Gefahren der Niedrigzins-Politik von Zentralbanken und damit ermöglichten Schulden- und Inflationsbooms, die früher oder später im Crash enden müssen:

Money is flooding the World Markets

von Hans F Sennholz

Staatliche/Halbstaatliche Zentralbanken handeln nach einem relativ einfachen Grundprinzip: Wann immer die wirtschaftliche Entwicklung stagniert oder rückläufig ist senken sie ihre Zinsen und vergrößern ihre Kredite. Aber wenn die Wirtschaft sich zu erholen scheint zögern sie diese Zinssenkungen wieder rückgängig zu machen. Die Konsequenz davon ist eine ständige Zunahme der Liquidität [An Geldmenge, nicht an tatsächlich erwirtschaftetem Kapital). Laut Berechnungen der Deutschen Bundesbank verdoppelte sich der weltweite Geldbestand zwischen Ende 1997 und September 2006 beinahe, die tatsächliche wirtschaftliche Produktion wuchs aber nur um etwa 60 Prozent. Solch ein Ungleichgewicht erzeugt entweder steigende Verbraucherpreise oder Preisblasen [stark überhöhte, nicht marktgerechte Preise bei bestimmten Produkten] bei Aktien, Krediten oder dem Immobilienmarkt. Wenn diese [künstlich erzeugten] Preisblasen schließlich platzen verursachen sie viele privatwirtschaftliche Verluste und zwingen Branchen und Firmen zu Krisenmanagement und Neuausrichtung [unter oft erheblichen Kosten].
Jede Woche können wir von Firmenzusammenschlüssen und -übernahmen hören. Ausgestattet mit [u.a. dem von der Zentralbank in Umlauf gebrachten] Geldbestand sind „Private Equity Funds“ immer in der Lage für Firmen hohe Summen zu bieten und Firmen zu übernehmen. Der Zusammenschluss- und Übernahmeboom hält die Aktienpreise aufrecht, von denen die meisten Investoren profitieren. Mehr noch, wenn das Kapital mancher Unternehmen privatisiert wird und andere in Aktien-Rückkäufe investieren, und dadurch das Gesamtangebot an Firmenanteilen verringert wird, erlebt der Aktienmarkt einen außergewöhnlichen Boom, der nach Hoffnung mancher Investoren nie aufhören sollte.
Einige Ökonomen spotten über diesen Optimismus; sie verweisen auf das Platzen der Blasen im Jahre 1929, welches zur Großen Depression bzw. Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre führte. Sie erinnern sich auch an das Platzen der japanischen Blase in den frühen 1990er-Jahren, welches die japanische Wirtschaft für nahezu ein Jahrzehnt in die Krise brachte. Und sie können die monetäre Politik während und nach dem 2. Weltkrieg nicht vergessen, welche bis zum Beginn der 1970er-Jahre die Welt mit US-Dollar überflutet hatte. Einige Länder beendeten daraufhin schließlich die Bindung ihrer Währungen an den US-Dollar und die öl-exportierenden Länder fuhren ihre Öl-Ausfuhr zurück, was für einen starken Anstieg der Rohstoffpreise sorgte. In den frühen 1980er-Jahren bedurfte es großer Zurückhaltung der FED um zumindest eine gewisse Stabilität zurück zu erlangen und etliche Jahre für die freie Wirtschaft um einige der entstandenen Schäden zu beheben und es der us-amerikanischen Wirtschaft zu ermöglichen, wieder zu wachsen.
Aktuell machen staatliche Wirtschaftsplaner und Zentralbankiers dieselben Fehler erneut. Sie alle scheinen niedrige Zinsen geradezu zu lieben und huldigen dem billigen [kredit-, bzw. inflationsfinanzierten] Kapital. Wenn die Zinsen sehr niedrig sind, wie es in den USA und Europa am Anfang dieses Jahrzehnts war, verliert die Wirtschaft einen Orientierungssinn. Dies kann es dann auch unproduktiven/unwirtschaftlichen Herstellern und Anbietern erlauben im Geschäft zu bleiben [ohne die Strategie oder das Angebot ändern zu müssen]. Auf lange Sicht verlieren die Volkswirtschaften ohne die Orientierungsmöglichkeit an wirklichen [,am real erwirtschafteten/vorhandenen Kapital und der Produktivität der Wirtschaft orientierten, nicht von der Zentralbank künstlich veränderten] Zinsen an Effektivität und Produktivität [aufgrund falscher Anreizsetzung durch künstlich niedrige Zinsen].

In einer freien Wirtschaft spielen Zinsen eine ähnliche Rolle wie Preise und Löhne. Sie alle entstehen aus der Nachfrage/den Wünschen und Wert-Beimessungen der Menschen/Verbraucher, die „Angebot und Nachfrage“ hervorrufen, die über die Entscheidungen der Anbieter bestimmen. Am Markt entstandene Zinsen sind Bruttozinsen, die üblicherweise aus drei charakteristischen Teilen bestehen: Dem reinen Zins, dem Abschreibungszins und der Kreditnehmer-Risiko-Prämie. Der reine Zins ist der Hauptbestandteil, welcher aus der ureigenen menschlichen Natur stammt, ökonomische Phänomene im Verlauf der Zeit zu sehen. Er misst zukünftigen Gütern und Bedingungen einen geringeren Wert zu als dem jetzigen Vorteil. Der Unterschied in der Bewertung ist der reine Zins. Die Abschreibungs-Komponente taucht auf, wenn der Staat/die Regierung oder seine/ihre Zentralbank inflationiert und damit die Währung im Wert mindert. Die Höhe dieser Wertminderung bestimmt die Größe dieser Komponente. Die Kreditnehmer-Risiko-Prämie spiegelt schließlich die Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit des Kreditnehmers wider.
Zentralbankiers schenken dem [natürlichen] Marktzins selten Aufmerksamkeit. Ihre Politik ist von den bekannten [keynesianistischen] Lehren von der Stimulation der nationalen Beschäftigungsrate und der [künstlichen, durch Inflation bezahlten Steigerung der] Einkommen bestimmt. Sie scheinen sich nicht bewusst zu sein [oder sein zu wollen], dass alle künstlich veränderten Zinsen im Gegensatz zum am Markt entstandenen Zins falsche Signale sowohl an die Verbraucher wie auch die Anbieter senden. Sie verursachen ein Ungleichgewicht/Fehlanpassung an tatsächlich auf dem Markt vorhandene Güter und Kapitalwerte. Zinsen, die niedriger als der eigentliche Marktzins sind, steigern prompt die Nachfrage nach [künstlich verbilligten] Krediten. Mit all den aktuellen [zentralbanklichen] Zinsen unter dem Marktzins kann es nicht verwundern, dass die Gesamtverschuldung der USA auf einige Billionen Dollar gestiegen ist. (…) Das Federal Reserve System hat, zusammen mit etwa 7.900 Privatbanken, die Geldmittel dafür bereitgestellt, und ausländische Zentralbanken und Privatbanken investierten ihre Dollar-Erträge in fast die Hälfte der Schulden der US-Regierung.
Solch eine Kredit-/Schuldenexpansion, nicht gedeckt durch echte Ersparnisse und Kapitalbildung, erzeugt illusionäre Gewinne und lässt die Menschen glauben, sie seien wohlhabender, als sie tatsächlich sind. Aktien- und Immobilienpreise steigen stark an, verlocken die Menschen dazu, ihre Gewinne zu verpulvern/falsch zu investieren, ihre Häuser übermäßig auszubauen und sich Anwesen [mit real nicht gedecktem Geld] zu schaffen, etc.
Tatsächlich könnten sie - Geschäftsmann und Aktienhändler, Manager und Angestellte - damit ihre materielle Substanz [an realem Kapital] vervespern. Aber egal wie weit die FED die Zinsen senkt, wird der Boom zu einem Ende kommen, sobald das Ungleichgewicht [zwischen Kreditmenge und real vorhandenem Kapital] sichtbare Verluste bei der Wirtschaft verursacht. Wenn mehr und mehr Firmen in Schwierigkeiten geraten oder gar bankrott gehen, beginnt die Neuausrichtung und –justierung, die die freie Wirtschaft zwingt, sich wieder an den tatsächlichen Bedingungen [von vorhandenem Kapital, Angebot und Nachfrage] zu orientieren.
Heute ignoriert die FED beharrlich den Marktzins. Sie fährt mit der Ausweitung der Kreditexpansion fort, welche nicht nur den Immobilienmarkt in eine große Blase verwandelt und den Aktienmarkt gepusht hat, sondern auch ein gewaltiges Außenhandels-Ungleichgewicht erzeugt hat. Sowohl die inländischen - [USA], als auch die Falschausrichtungen und Fehlanreize im Ausland erzeugen weiter wachsende Probleme für Handel und Industrie.

Manche Ökonomen sind überzeugt, dass die Zentralbanken einen Ausweg aus dem Dilemma parat haben: Sie könnten schrittweise die Inflation steigern, was alle Bezieher von festen Einkommen und Besitzer von Obligationen/Pfandbriefen/Schuldscheinen etc. [durch das Gelddruckmonopol der Zentralbanken] zwingen würde, den Großteil der entstandenen Verluste zu bezahlen. Optimisten unter den Ökonomen verweisen sogar auf den Einfluss der Globalisierung, welcher den Effekt der Inflation auf den Immobilienmarkt und den Fusions- und Übernahme-Boom zu begrenzen scheine. Die meisten Ökonomen befürchten aber eine Rezession, die ein normaler Teil eines Wirtschaftsablaufes ist. Diese Angst könnte dann die Planung von Unternehmern bestimmen, die daraufhin die Produktion verringern könnten, was wiederum die Arbeitslosigkeit seigen lassen würde. Die Regierung würde daraufhin mit staatlichen Beschäftigungsprogrammen reagieren und verstärkte Wohlfahrtsaufgaben übernehmen. Sie könnte eventuell sogar einige Steuern senken, ihr Haushaltsbudget erhöhen und die Zentralbank anweisen, die Zinsen noch einmal zu senken. Die Inflationsrate wäre damit zum starken Anstieg bestimmt.
Einige eher skeptische Ökonomen sind davon überzeugt, dass damit eine niedergehende Wirtschaftsentwicklung vor uns liegen würde. Üblicherweise weisen sie auf drei Gefahren hin, die einen ernsthaften Einfluss auf die amerikanische Wirtschaft haben könnten: Es gibt einen wachsenden Berg von öffentlicher und privater Verschuldung und Krediten, die auf Geld- und Verschwendungssucht aufgebaut sind. Es gibt ein Multimillionen Dollar schweres Versprechen für ein [staatliches] Rentensystem und eine großes Gebäude aus Regierungsgarantien und Versprechungen die [mit real vorhandenen Werten] nicht eingehalten werden können. Zusätzlich gibt es noch eine ganze Vielfalt von komplexen Derivaten, deren Wert wiederum von anderen Dingen abhängt, wie Aktien, Obligationen, Termingeschäften, Optionsscheinen, Darlehen und sogar reinen Versprechungen und Ankündigungen. Sie alle werden, laut den skeptischen Ökonomen, die logischen Opfer der kommenden wirtschaftlichen Krise werden.
Dieser Ökonom [Hans F. Sennholz], der die Politik der FED und allgemein von Zentralbanken seit den 1950er-Jahren beobachtet hat, teilt in diesem Fall die Ansichten dieser Skeptiker über eine Politik der Inflation. Sie scheinen einen klaren Blick für die Grundprinzipien des Geldmarktes und der Geldpolitik der Regierungen, seit diese die natürliche [marktgebundene] Geldordnung verworfen haben, zu haben. Eine solche natürliche, an die Marktlage und real vorhandene Werte gebundene Geldordnung waren der Gold- und Silberstandard. Aber die Skeptiker übersehen oft die zahllosen Kniffe und Taktiken, mit denen Regierungspolitiker und Zentralbankiers die eigentlich sichtbaren Folgen ihrer [vom realen Markt losgelösten] Geldpolitik kaschieren können. Vor diese Folgen vollends zu Tage treten wird es vermutlich ein finanzpolitisches Armageddon geben, mit einer Vielzahl neuer staatlicher Regulierungen und Eingriffe, die die Folgen der derzeit betriebenen staatlichen Geldpolitik verschwinden lassen oder zumindest verstecken sollen. Diese Politik wird sich immer schneller ändern müssen, um die schon jetzt sichtbaren Folgen zu überdecken. Wegen der öffentlichen Uninformiertheit und immer noch weit verbreiteten Unkenntnis über die Zusammenhänge monetärer Politik und ihrer weitreichenden Auswirkungen ist eine große Mehrheit der Bevölkerung immer noch bereit ,diese Art der Geldpolitik hinzunehmen und begrüßt die [als Lösung vorgeschlagenen] Regulierer und staatlichen Geldkontrolleure.

Nach einer kurzen Periode der staatlichen Preis- und Lohnlenkung könnten die Stimmen der Vernunft, die derzeit kaum öffentlich präsent sind, wieder gehört werden. Es wird ihnen eventuell sogar erlaubt werden die us-amerikanische Wirtschaft wieder in die Lage zu versetzen sich wieder zu erholen, in dem sie die Masse von [staatlich festgelegten] Preis- und Lohnlenkungen aufheben und es Löhnen und Preisen wieder ermöglichen durch sich am Markt auszurichten. Sie werden eventuell sogar eine Währungsreform anstrengen müssen, was die Ausgabe eines neuen Geldes in einem unterschiedlichen Verhältnis zum alten Geld bedeuten würde. Viele Länder überall auf der Welt haben in den letzten Jahrzehnten bereits Währungsreformen erleiden müssen. Für die US-Amerikaner wäre es eine neue Erfahrung.
Wir können nicht sagen, was die Zukunft bringen wird, aber wir müssen uns für sie vorbereiten. Ich vermute einen stufenweisen Anstieg der politischen Kontrolle über das wirtschaftliche Leben der Menschen, was zu zahllosen Fehlanpassungen und -ausrichtungen, Verzerrungen und Stagnation [in der Wirtschaft] führen würde. Aber diesem Trend in der us-amerikanischen Politik und seinen schädlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft steht eine weltweite Entwicklung in Richtung offenerer Märkte gegenüber. Da die Handelsbarrieren weltweit derzeit eher kleiner werden und Investitionskapital relativ frei ist, in Länder mit geeigneten Rahmenbedingungen zu wechseln, welche dadurch einen starken Anstieg ihrer Produktivität und des Lebensstandards erleben, wird es für US-Politiker und staatliche Wirtschaftslenker schwerer, ihre Macht zu erhalten und auszubauen und auf eine Kommando-Wirtschaft hinzuarbeiten. Sie können das Licht der wirtschaftlichen Freiheit nicht auslöschen, das schon an so vielen Orten auf der Welt entzündet wurde.

Originaltext in Englisch hier: http://www.inflationomics.com/article.php?article=Money%20is%20Flooding%20the%20World%20Markets

übersetzt aus dem Englischen von Seba96

In memoriam Hans F Sennholz (1922-2007)
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