Mittwoch, 28. Januar 2009

Geldpolitik ist Politik

Die Geldpolitik war schon immer wenig von neoliberalen (oder sonstigen) wirtschaftsphilosophischen Prinzipien geleitet, sondern von realer, machtpraktischer Politik.

Zur Gefahr von "Moral hazard" von Politik und staatlichen bzw. privaten Banken der Vermögensberater Peter Boehringer:

Preisfrage: Von wem stammt folgendes Zitat? „Die Moral hazard Gefahr [von Bankenrettungsaktionen] ist offensichtlich. Aber wenn die Wahl zwischen marktnahen Bewertungsansätzen und dem Verlust Hunderttausender Arbeitsplätze zu treffen ist, ist diese Wahl u.E. einfach.“ Nein – dies schreibt kein chronischer Interventionist wie z. B. der Wirtschaftsweise Peter Bofinger und auch nicht die Presseabteilung von Bear Stearns. Den Satz findet der erstaunte Beobachter in der neuen Researchstudie der Investment Bank Dresdner Kleinwort vom April 2008 zur Lage des Bankensystems.



Seit Keynes wissen wir alle, dass man kurzfristig Jobs schaffen (oder besser: retten) kann, wenn man die Wirtschaft (oder besser: die Banken) mit Liquidität überflutet. Vermutlich denkt zwar DK beim „Verlust Hunderttausender Jobs“ eher an gefährdete Bankerjobs als an die in der Realwirtschaft – aber sei’s drum. DK hätte auch „viele Millionen Jobverluste“ schreiben können – denn das wäre bei einem Bankenkollaps die Größenordnung in der Realwirtschaft. Und da ist es keine sehr gewagte Prognose, dass die durchgängig und seit Jahrzehnten vulgär-keynesianisch denkenden Politiker natürlich den Geldhahn aufdrehen werden. Warum vulgär-keynesianisch? Weil Keynes vor 70 Jahren eben auch davon gesprochen hat, dass die Stimulus-Gelder aus der Druckerpresse in besseren Zeiten wieder eingesammelt werden müssen. Bei derzeit historisch hohem Geldmengenwachstum (US-M3 +19% p. a.!) ist jedoch nicht zu erwarten, dass wir irgendwann „in besseren Zeiten“ wieder mal -15% oder so sehen werden, wie Keynes es gefordert hat.



Systemresistenz durch unkonventionelle Maßnahmen
Wer aber genau beobachtet, muss die neue Qualität der Notenbankaktionen
seit Juli 2007 erkennen:
- Minimalzinssätze trotz ausufernder Inflation
- direkte Geldspritzen an illiquide Banken über „unkonventionelle“
Maßnahmen und neue dauerhaft monetarisierende, de
facto Eigenkapital ersetzende Maßnahmen
- Einführung neuer, die beanspruchende Bank anonym haltender
Instrumente (Term Auction Facility, Term Securities
Lending Facility)
- Akzeptierung von weltfremder „fair value“-Schuldenbilanzierung,
die formal die Gewinne erhöht
- Direkthilfen der Fed an Nicht-Banken
- massive Herabsetzung der Qualität der Sicherheiten
- sogar direkter Tausch von Ramschanleihen gegen Staatsanleihen
(Fed) bzw. direkte Beleihung von spanischen, italienischen,
griechischen und britischen Immobilienkrediten
(EZB). Dies geschieht nicht zu marktgerechten Konditionen
und übrigens auch aus politischen Gründen (der Euro wäre
ohne diese Transferzahlungen längst zerbrochen und mit
ihm sofort auch die EU!).





Viele der Maßnahmen wären für Ökonomen noch vor einem Jahr völlig undenkbar gewesen! Einzig offene Verstaatlichungen oder offene Monetarisierungen der Schulden oder offene Konkurse bzw. Übernahmen von Geschäftsbanken durch Fed und EZB wurden rein technisch nochmals vermieden! De facto wird mit dem Tausch von Ramschanleihen gegen Staatsanleihen nun aber sogar die Währungsbasis massiv verschlechtert und die Zentralbanken haben auch erstmals begonnen, das Kreditausfallrisiko dieser Anleihen zumindest zeitweise auf die eigenen Bücher zu nehmen! Der geldpolitische Dammbruch ist erfolgt und die moralische Hemmschwelle wird nach diesen Präzedenzfällen beim nächsten Mal geringer sein.
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